Atelierberichte

08-01-2004/ updated 03-01-2009

Kunst nach Strich und Farben
Im Mannheimer Maler-Atelier von Frank Peter Linnartz

Von Christel Heybrock (Copyright)

Das Haus ist von edlem Grau, die Adresse eine der besten in Mannheim: Am Oberen Luisenpark 1. Hier im ersten Stock hat Frank Peter Linnartz sein Atelier aus Malraum, Computerbüro und kleinem Depot, eine Wohnung im Grunde, deren zwei Balkons mit Blick direkt in den öffentlichen Park er ganzjährig genießt. Schon seit 1998 arbeitet er in diesem Haus, aber erst seit 2008 in dem Hundertquadratmeter-Ambiente mit der Aussicht ins Grüne. Linnartz ist, ganz im Gegensatz zum bürgerlichen Vorurteil, Künstler müssten chaotisch und unordentlich sein, ein Mann der übersichtlichen Organisation. Themenvorlagen sammelt er säuberlich in Schubladen, Kunstbücher, Faltblätter und Zeitschriften im Wandschrank, die Zeichnungen, so weit noch nicht gerahmt, in Mappen, und im Computer wächst und wächst ein penibles Werkverzeichnis aus inzwischen mehr als 600 Acrylbildern und noch einmal ebenso vielen Handzeichnungen, sein, wie er es scherzhaft nennt, „Köchelverzeichnis“. An dieser Mozart-Reminiszenz ist durchaus was dran. Nicht nur, dass Linnartz offenbar seine Maltätigkeit mit klassischer Musik beflügelt, nein, auch was da auf den Bildern entsteht, ist von Mozartscher Fülle und Opulenz.

An den Wänden blüht und leuchtet es von Farben. Wie der Mann Jahrzehnte durchgehalten hat, ohne auch nur an einen Pinselstrich zu denken in seinem Beruf als hochkarätiger Finanzfachmann mit Promotion in Betriebswirtschaft (1961 in München) und internationalen Kontakten – es scheint einem rätselhaft, wenn man seine Bilder sieht. 1935 in Solingen geboren und seit 1964 in verschiedenen Gesellschaften der BASF-Gruppe tätig, hat er sich den Wind einer ganz anderen, rauen Welt um die Nase wehen lassen und zum Ausgleich „nur“ Sport getrieben, Tennis bis zur Tournierreife… bis es zuletzt doch noch funkte. 1992 fing er an, sich von dem Mannheimer Maler Walter Stallwitz auf den Weg zur Malerei führen zu lassen, aber ach, es scheint nicht lange gedauert zu haben, bis aus dem Freizeitmaler ein höchst professioneller wurde und noch dazu einer, dem die eher karge, reduzierte Kunst von Stallwitz nicht mehr weiterhelfen konnte.

Sonnenfarben

Ein Maler opulenter Farben und sensibler Beobachtung - hier das Bild “Sonnenfarben” von 2004.

Nein, spröde geht Frank Linnartz mit Farben nicht um, im Gegenteil, er ist fast ein Magier der Farben, die er mit breiten, etwas pastosen Strichen und Tupfen auf die Leinwände setzt. Das vibriert und pulsiert, es atmet und lebt, die Farben kommen einem entgegen wie kleine Kraftpakete, schwer zu rezipieren sind Linnartz’ Bilder nicht. Aber sie halten eine sichere, instinktive Balance: Nie kippen diese leuchtenden Herrlichkeiten in Kitsch oder blanke Dekoration um, nie drängen sie sich dem Auge gewaltsam auf, und diesem Quäntchen Freiheit und Herausforderung für den Betrachter entspricht ihre unbestreitbare Substanz.

Rückenakt

Zeichner mit flottem, sicherem Strich: hier eine der charakteristischen Aktzeichnungen (”Rückenakt kniend” von 2004)

Dabei ist Linnartz mit seinen heute 73 Jahren vielleicht immer noch nicht am Ende seiner Entwicklung, wenn auch die letzten Jahre, in denen er fleißig und inspiriert arbeitete und vielfältige Anerkennung gewann, seinen Bildern eine zunehmende Sicherheit, Meisterschaft und, ja, auch Freiheit brachten. So gelöst und scheinbar mühelos sahen sie nicht von Anfang an aus. Mittlerweile wagt er sich auch an immer schwierigere Motive. Griff er anfangs nach den farbenträchtigsten Themen überhaupt – Blumen und sonnenbeschienene Landschaften -, so findet man inzwischen auch Tiere bei ihm, Stadtansichten, abstrakte „Würfelbilder“ und sogar Akte, und für die ist eigentlich ein Spezialtalent im Umgang mit Proportionen und Anatomie erforderlich, das nicht mal alle großen Maler hatten. Erstaunlich, dass Linnartz den Akt bereits mit dem Zeichenstift in kühnem Griff hat; die Andeutung von Volumen und Schwerpunktverlagerungen des Körpers in oft einer einzigen Linie beweist schließlich, dass er über ein fundamentales Verständnis für das Spiel von Gesten, Posen, Anspannung und Entspanntheit verfügt.

Toro

Der ‘Toro’, der Stier, von Frank Peter Linnartz in Handzeichnungen wie in Gemälden häufig bearbeitetes Motiv.

Mit den Aktzeichnungen vergleichbar sind wohl nur, verblüffend genug, seine „Toro“-Zeichnungen: Stiere, Kraftbündel voll Eleganz und Geschmeidigkeit, Arbeiten, die in ihrer spontanen Sicherheit an Picasso erinnern. Linnartz hat berufsbedingt mehrere Jahre in Madrid gelebt, er hat Stiere und große Kämpfer kennen gelernt, und so ein Blatt, sagt er, das geht ruck zuck in ein, zwei Minuten, wenn er vorher weiß, was er da einfangen will an Ausdruck, an Bewegung, an Pose. Eine ganze Serie besteht aus Blättern, die fast nur mit Außenkonturen auskommen und doch das Wesen der Stiere großartig wiedergeben. Vom liegenden bis zum laufenden, vom stolz den Kopf zur Seite werfenden bis zum angriffslustig die Hörner senkenden Stier hat er die ganze Vitalität dieser Geschöpfe eingefangen, und fast wie von selbst haben sich aus den Zeichnungen offenbar auch Gemälde ergeben: Wie ein schnaubender dunkler Berg, bebend vor Spannkraft, steht da so ein Stier und guckt dem Betrachter herausfordernd ins Gesicht.

Turmfalkenküken

‘Junge Turmfalken’ von 2008, fast aufgelöst in vibrierende Tupfen.

Aber auch den vielen anderen Tierdarstellungen, denen er anfangs selber etwas skeptisch gegenüber stand, gewinnt er oft überraschende, von Energien sprühende Farben ab. Ein Fisch wird so zum geheimnisvollen Feuerwerk, eine Gänseherde zum fast musikalischen Rhythmus roter Schnäbel in pulsierendem Weiß, und für seinen Enkel malte er unter anderem ein „Igelschäfchen“ (mit Wollflöckchen anstelle der Stacheln) und einen prachtvollen Uhu. Turmfalken-Küken erscheinen in ihren leichten, flockigen Pinseltupfern fast aufgelöst in Vibrationen, ein Elefant marschiert mit ausgestellten Ohren direkt auf den Betrachter zu, es gibt Bären und sogar das Eisbärbaby Flocke. Erneut hat Linnartz beim Thema Tiere auch zur Zeichnung gegriffen: Kraniche gaben eine ganze Serie her, entstanden aus einer Mischung von eigener Beobachtung und Fotografien, und erneut fing er lediglich in Konturlinien die spezielle Energie und Lebendigkeit dieser Lebewesen ein.

Ein meisterhafter Tigerkopf mit bernsteingelben Augen, fast an der Grenze zur Abstraktion mit seinen Tupfen aus Ocker, Rot, Weiß und Schwarz, lässt zwar die lauernde Sprungbereitschaft einer Wildkatze spüren, deutet aber zugleich einen der beiden Pole an, zwischen denen sich Linnartz’ Kunst bewegt – nämlich zwischen fester, fast haptischer Kontur in der Zeichnung einerseits und einem malerischen Nuancenreichtum andererseits, der das Motiv fast völlig zerlegt in Licht, Farben und Reflexe. Eine Kunst nach Strich und Farben also; einmal zaubert sie mit den sparsamen Mitteln einiger weniger Bleistiftlinien Masse und Körperlichkeit, ein andermal entrückt sie in einem Rausch von Farben die scheinbar greifbare Welt der Körper auf eine fast immaterielle Ebene.

Mysteriumprovence

‘Mysterium Provence’, Lavendelfelder unterm Vollmond (2008)

Und natürlich kann man sich kaum satt sehen an Tulpen, Mohn und Sonnenblumen, an flirrenden Landschaftseindrücken mit Gartenwegen, blühenden Hängen und kraftvollen Bäumen. In den Landschaften aus der Provence, überschüttet vom Violett des Lavendels, könnte man sich verlieren, beim Titel „Mysterium Provence“ (2008, Werkverzeichnis 598) kommt sogar der Vollmond über der nachtblau leuchtenden Landschaft hinzu – 2006 schuf Linnartz eine ganze Serie ungewöhnlicher Vollmond-Bilder, bei denen der Himmelskörper als unregelmäßige Kreisform in spannungsreichem Kontrast zu meist kleinen, farbigen Quadratflächen steht. Aus der Camargue faszinieren vor allem Landschaften mit vielfarbigen Sonnenuntergängen, Gegenstücke zu den Meeresansichten, die seit Jahren in Holland entstehen und den Maler zu immer neuen Beobachtungen drängen, immer neuen Variationen von Weiß, Grau, Blau, Grün … und überraschend flammenden Rot-Gelb-Akzenten.

Cocktail

‘Cocktail’, eines der Würfelbilder, bei denen Linnartz ausschließlich mit Farbquadraten arbeitet (Werkverzeichnis 262)

Und dann gibt es da noch eine Bilderserie, die man bei Linnartz, diesem Maler der expressiven, aber im Grunde gegenständlichen Disziplin, kaum vermutet: die „Würfelbilder“. Farbige Quadrate ohne Abbildlichkeit, vorbereitet in den Mond- und in manchen Landschaftsbildern. Es sind reine Feste ebenso strahlender wie fein nuancierter Farben, in berückend kontrastreichen Nachbarschaften über-, unter- und nebeneinander gesetzt. Abstraktion nun doch endlich? Nicht ganz. Vielleicht verbindet Linnartz gerade mit diesen Bildern die konzentriertesten, die extrem verdichteten Emotionen. Zumindest deuten Titel wie „Glückseligkeit“, „Wärme“, „Vitalität“, „Cocktail“, „Sinfonie in Dur“ und „Sinfonie in Moll“ darauf hin. Diese Identität purer Farbflächen mit Empfindung und Spiritualität hat er letztlich doch noch mit Kasimir Malewitsch und dessen berühmtem „Schwarzen Quadrat“ gemein…

Linnartz malt übrigens, ungewöhnlich genug, nicht an der Staffelei, sondern über einen Tisch gebeugt, was ihm die Beschränkung auf nicht allzu große Formate abfordert. Diese klassischen Maße wiederum zwingen ihn stets zur Konzentration auf Wesentliches, zielloses Herumprobieren und läppisches Ausufern in die Breite sind auch in der Malerei nicht seine Sache, und die liegende Position der Bilder verhindert, dass die Farben unkontrolliert nach unten zerlaufen. Wenn so ein Bild dann fertig ist oder aus kritischer Distanz beurteilt werden muss, hängt er es an die Wand und setzt sich in einem gewissen Abstand davor. Das war früher in einem afrikanischen Häuptlingssessel, einem recht spartanischen, wenn auch nicht unbequemen Relikt aus Holz, in dessen hohe Rückenlehne ein Krokodil geschnitzt war.

Auch heute noch ist sein Atelier voll mit inspirierenden Erinnerungsstücken wie orientalischen Metallbechern für die Mal- und Zeichengeräte, einem afrikanischen Hocker oder kleinen mexikanischen Marmorwürfeln. Nicht nur die Person des Malers äußert sich unwillkürlich in diesen Dingen, in deren Anwesenheit sich zwanglos auch Werke anderer Künstler mischen. Es äußert sich insgeheim auch die Sensibilität und der schöpferische Geist seiner Frau, die mit leichter Hand aus den Räumen ein Energiefeld zwischen Kunst und Wirklichkeit machte. Wenn vom Balkon auf schmaler Säule ein kleiner Bronzestier des Wormser Bildhauers Eckhard Schembs ins Zimmer hereinschaut, ist das wie eine Antwort auf die Stiere von Frank Linnartz. Und ein genialer Wurf gelang Renate Linnartz gleich in der Diele: das Würfelbild „Glückseligkeit“ mit seiner Konzentration aus Gelb-Rot-Brauntönen setzt sich gleichsam fort in einer Schale mit Granatäpfeln, die direkt darunter steht. Zwar ist die Farbe von Granatäpfeln nicht von Dauer, aber dieser Frau fällt bestimmt noch mehr ein, wenn das Obst hinüber ist.

Kontakt:
Frank Peter Linnartz, Am Oberen Luisenpark 1, 68165 Mannheim, Tel. 0621-418 3500, Fax 418 3502, E-Mail: FrankP.Linnartz@t-online.de, Internet: www.Atelier-Linnartz.de

Originalbericht zu finden unter:  http://www.kunstundkosmos.de/Bildende-Kunst/Linnartz.html


Frauen, Stiere, Sommerfarben

Porträt: Der Mannheimer Maler Frank Peter Linnartz

Von unserer Mitarbeiterin
Helga Köbler-Stählin

Ich treffe Frank Peter Linnartz in seinem Atelier, wo wir in der Sommerhitze ein kühles Getränk zu uns nehmen und über seine Arbeit plaudern. In der Mitte des Raumes steht ein Glastisch. „Hier entstehen meine Arbeiten”, erzählt er mit seiner angenehm klaren Sprache, die den Geburtsort Solingen erahnen läßt. Farbflaschen und Pinsel stehen für den nächsten Arbeitstag bereit. Ideen habe er immer, sagt er. Und dass er auch unbändige Lust zum Malen hat, sieht man auf den ersten Blick.

Im Überschwang sommerlicher Farben sprühen „Sonnenblumen”, eine „Wiese in gelb”, oder ein „Tulpenwald” auf Malgründen aus kartoniertem Papier. Es sind Ausschnitte von Landschaften, Gärten und Wäldern, die in spätimpressionistischer Pinselführung die Fülle des Sommers bewahren. In einem kontrollierten, aus reinen Farben gemischten Punktesystem pointilliert Frank Peter Linnartz beispielsweise Wasserspiegelungen, zauberhafte Blumenbündel oder Fruchtstände von Blüten. Mit dem physikalischen Wissen, dass das Licht aus Spektralfarben zusammen gesetzt ist, meistert der Künstler die Komma-Technik der Impressionisten mit Finesse; seine Bilder werden zum ästhetischen Erlebnis.

„Natürlich hat mich die Handschrift von Walter Stallwitz geprägt”, erläutert Linnartz, der seit mehreren Jahren zu den Schülern des Mannheimer Künstlers gehört, bescheiden. Doch auch davor hat er sich schon der Malerei und der Zeichnung

gewidmet. Er zeigt mir eine Mappe mit hinreißenden Umrisszeichnungen von Aktbildern und Stieren, isolierte Motive, die, weder abstrakt noch konkret, in pathetischer Schlichtheit gehalten sind. „Die Frauen und Stier erinnern mich an Picasso, an Kraft und Eros”, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf, und Frank Peter Linnartz lächelt. Er habe lange in Spanien gelebt schildert er kurzweilig aus seinem Leben, und da könne er sich eine Verbindung schon vorstellen. Genau genommen jedoch habe er für eine Bekannte, die im Zeichen des Stieres geboren sein, eine Auftragsarbeit erhalten und dabei seine Leidenschaft zu diesem Motiv entdeckt.

Nun lebe er in Mannheim und seit er von seinem Berufsleben Abschied genommen habe (das den promovierten Finanzmanager außer nach Madrid auch nach Den Haag, Hamburg und Köln verschlagen hatte), zeichne und male er natürlich verstärkt. „Plötzlich waren Farbe, Pinsel und Blätter zu sehr ins häusliche Leben eingedrungen”, erinnert er sich, er habe deshalb ein Atelier gesucht und könne hier nun frei arbeiten. Ein zweiter Beruf? „Ja”, antwortet er spontan, „der sehr viel Freude und viel Arbeit macht!” Auf sein „Köchelverzeichnis”, wie er die Katalogisierung seiner Bilder nennt, ist er besonders stolz. Aber auch die Galerienkontakte, Ausstellungen und die entsprechenden Einladungen erledigten sich nicht von selbst - diese Erfahrung hat er gerade mal wieder hinter sich.

Bis 21. August sind seine Bilder nämlich im Mannheimer Teppichhaus Hellriegel zu sehen, wo „Mohnblumenberge” oder „Rote Tulpen” das städtische Grau durchbrechen (in P 6, 20-21).

Mannheimer Morgen, 4. Aug. 1999

Autor: Linnartz
Datum: Freitag, 23. Januar 2009
Themengebiet: Uncategorized

Kommentare und Pings geschlossen.