Beitrag für das Programm 'Buch 2 aus 2005'

Buch 2

Sonntag, 27. April 2008

Buch 2

2. Buch erschienen 2005 im Eigenverlag
78 Seiten mit 98 Abbildung (77 Gemälde, 21 Zeichnungen)


Einführung von Dr. Christel Heybrock
Aufbrüche über die Grenzen hinweg

Die Farben leuchten wie auf frisch gewaschenem Porzellan. Luzider Glanz, transparent und dicht zugleich. Das Blühen in der Landschaft scheint einem fast in die Nase zu steigen, scheint die Haut zu kitzeln, üppige Pracht unter heißer, schwerer Sonne. Die Luft dabei so klar und sauber, als hätte ein Gewitter jeden Staubschleier weggespült.
So „wirklich”, so fast haptisch präsent die Dinge sich auf Frank Peter Linnartz’ Bildern zeigen, so entrückt sind sie aber auch, so tief liegt ihr Reiz verborgen im Unmöglichen.

Seltsamerweise malt er nicht an der Staffelei, sondern auf einem Tisch, meist beflügelt von klassischer Musik. Es ist ein bedeutsamer Unterschied, ob man Bilder frontal ansieht als natürliches Gegenüber oder ob man von oben auf sie drauf sieht - in der Draufsicht entfalten sie andere Zusammenhänge, halten sich zurück, werden leise,
manchmal stumpf. Vielleicht legt Linnartz deshalb unwillkürlich so extreme Energien hinein: Stumpf dürfen sie ja nicht sein, sie sollen mit den Farben ans Licht, sollen sich versprühen. Dass sie eben das können, beweisen sie dann an der Wand desto intensi­ver. Aber nicht nur die ungewöhnliche Arbeitsposition trägt zu ihrem mittlerweile unver­wechselbaren Erscheinen bei, sondern auch Linnartz’ Malmaterial. Wenn es Ateliers gibt, in denen Tisch und Fußboden, Stühle und Wand mit Farbresten bekleckert sind und Tuben, Gläser und Pinsel sich überall ausbreiten, so verhält sich auch das bei ihm ganz anders. Es gibt einen schwarzen Sessel für Besucher und einen (spartanisch ein­fachen) afrikanischen Häuptlingsthron für den Meister selber, wenn er probeweise seine Bilder an der Wand beurteilen will. Beide aber tragen nicht die geringsten Farbspuren, und auch der Maltisch hält nicht etwa fünfzig Tuben, Pigmentdosen oder Gläser bereit. Fünf Töpfchen mit wasserlöslichen Acrylfarben - das ist Linnartz’ ganzes Repertoire: Ihm genügen die drei Grundfarben Rot, Blau, Gelb und die beiden Nichtfarben Schwarz und Weiß. Statt auf die klassische, immer etwas strukturierte Leinwand malt er zudem stets auf weißen Karton.

Erdige Töne, „schmutzige” Brechungen, Unentschiedenheiten, Mischungen, die ver­schleiern, verdunkeln, die absichtsvoll Geheimnisse schaffen - so etwas gibt es bei Linnartz nicht. Wenn er die Farben lustvoll pastos auf den glatten Karton aufträgt, dann leuchten sie in einer Reinheit und Ursprünglichkeit, als sei die Welt eben erst erschaf-
­fen: Farben, nichts sonst, Farben, die wie aus der Luft, aus dem Licht selber kommen und scheinbar nirgendwo banal „aufgemalt” wurden. Dichte und Durchsichtigkeit zugleich, Klarheit und vibrierender Glanz, der Duft südfranzösischer Lavendelfelder und die kristallinen Reflexe einer Glasvase mit Frühlingsblumen: Es ist eine höchst charak­teristische Gratwanderung zwischen Frische und emotionaler Wärme, Unberührbarkeit und fast dramatischen Ausbrüchen an Energie. Was einen da mitreißt ja, mit atmen lässt mit dem Pulsieren der Farben, stellt auch einen thematischen Grenzbereich dar. Linnartz geht zwar aus von der Lesbarkeit, der Wiedererkennbarkeit der Realität - da
sind Häuser, Blüten, das Meer, Bäume, Hügel und Täler, ja sogar Akte, Tiere und Städtemotive - aber er treibt die Formen bis an ihre Grenzen und löst sie mitunter dermaßen in ein Feuerwerk von Farben auf, dass sie sich nur noch schwer zu den bekannten Anblicken zusammenfügen; die Grenze zur Abstraktion ist damit erreicht
und sogar überschritten. Dann bedeuten die Farben nur noch sich selber und brechen aus jeder Bindung an Gesetze aus, die nicht ihre eigenen sind. Auch dieses Irisieren zwischen Freiheit und Bindung, diese Grenzgänge an der Demarkationslinie zwischen reiner Malerei und Abbildlichkeit reizen das Auge stets von neuem.

Es lässt sich kaum definieren, welches Ziel diese Bilder letztlich verfolgen außer dem, dass sie in die Welt gesetzt werden müssen. Obwohl Linnartz sich die Malerei erst spät erschlos­sen hat und dieser Vorgang sicher noch nicht zu Ende ist, gehört er keineswegs zu den Epigonen, die sich nacheinander einfach die Stilphasen der Moderne aneignen. Eine
erstaunliche Freiheit und Bewusstheit im Umgang mit Farben und seinem Malmaterial trat offenbar zu Tage, sobald er den Pinsel in die Hand nahm, und zu seinen berückendsten Schöpfungen gehören eine Reihe ebenso emotionaler wie gegenstandsloser Bilder aus den Jahren 1999 bis 2002 - es sind die ältesten Arbeiten in diesem Band. „Wärme”, „Schach”,
„Vitalität”, „Emotion in Dur” und „Emotion in Moll”, sie könnten auch mit anderen Titeln die bewegenden Erkundungen eines Malers belegen, wie sich Farben zueinander verhalten, wie sie sich auf einer Fläche von außen nach innen oder umgekehrt steigern, wie sie einan­der verdichten oder wie durch ein einziges klares Gelb inmitten heller und dunkler
Blauquadrate („Schach”) sich ein Bild plötzlich in räumliche Tiefe öffnet. Ein anderer Maler, der wie Linnartz sein Metier erst wenige Jahre betrieben und diese Stufe erreicht hätte, wäre wohl für den Rest seines Lebens bei so reifen Schöpfungen geblieben und hätte sich mit unermüdlichen Variationen begnügt.

Nicht so Linnartz, der von seiner Grenzlinie aus immer wieder nach der einen wie nach der andern Seite blickt, von der Gegenstandslosigkeit wieder zurück zum Ding, zu Mensch, Tier, Pflanze, Landschaft. Und der, erstaunlich genug, sich nicht nur als Zauberer mit locker neben- und übereinander getupften Farbflecken erweist, sondern auch als Meister der
Konturlinie in seinen Zeichnungen. Versteht denn einer, der nie ein Bild vorzeichnet, son­dern unmittelbar in Farben denkt und fühlt, jemand, der einen Baumstamm kühn in schwarzen, weißen und grünen Tönen hinhaut und das Laub wie eine grünweiße Gischt darüber türmt, versteht denn so einer wirklich etwas von Konturen? Und ob! Die sitzenden,
hockenden, liegenden oder tanzend gruppierten Frauenakte, die mächtigen Toros mit den Matadoren - alles energische, flotte, zupackende Konturlinien, die nur selten absetzen, Beschwörungen von Kraft, Bewegung, Eleganz. Dagegen sanft modellierende Schraffuren, Zeichnungen als weiche Malerei in Schwarzweiß? Nie gesehen, nicht jedenfalls bei Linnartz!

Ein Bild soll hier noch erwähnt werden, ein einziges. „Eruption” (2004, Werkverzeichnis 451), ein Vulkanausbruch. Da spritzt aus einem in Schwarz- und Grautönen abgestuften Kegel ein mit Rot versetztes Orange in den Himmel empor und fließt feurig den Berg hinab. Linnartz gab der Glut auf ihrem Weg ins Tal Flecken in Weiß und Hellblau mit, als
Nachbarschaft sozusagen; im Vordergrund jedoch, wo sich die Lava zu Füßen des Betrachters staut, finden sich Weiß, Hellblau, Olivgrün direkt auf dem Rot-Orange. Hat jemals einer etwas Blaues neben oder auf einem rotglühenden Lavastrom gesehen? Blau jedoch, aufgesetzt auf die Komplementärfarbe Rot/Orange - das ist ein wechselseitiges
Sichhochschaukeln und Sichsteigern von Farben, eine unerhörte Spannung zwischen schmerzhafter Kälte und einem Feuer, das Steine schmilzt. Derart dramatische Dialoge von Farben führt Linnartz nicht nur hier, und es ist mit Sicherheit nicht seine letzte Eruption.

Christel Heybrock


Vorwort von Josef P.Ressmann

Schon 1999, als das erste Buch erschien, war der unverwechselbare Weg und die Handschrift des Künstlers nicht nur erkennbar, sondern bereits manifestiert.
Zahlreiche Werkphasen, in diesem Buch chronologisch dokumentiert, sind Zeugen einer außergewöhnlichen Schaffenskraft.
Die lebendigen Bildkompositionen der tanzenden und miteinander verwobenen Farbtupfer sind einzigartig.
Ob Natur- oder freie Farbkompositionen,Frank Peter Linnartz ist sich treu geblieben.
Farbenprächtige Sonnenblumen, Tulpen, Narzissen, Lilien und roter Mohn faszinieren die Betrachter ebenso
wie die leuchtenden Tulpenlandschaften in Holland und die duftenden Lavendelfelder in der Provence.
Das weite Meer, wandernde Dünen, hügelige Frühlingslandschaften in Spanien, Olivenbäumeund Szenen in der Camargue bereichern den unermesslichen, paradiesischen Naturkosmos des Künstlers.
Mit flimmernden Phantasielandschaften, abstrakten und konkreten Farbkompositionen zeigt Frank Peter Linnartz seine ambivalente Seite, die der freien Malerei.
Die Vielfalt des malerischen Werks wurde durch Stadtansichten und vor allem Bilder der Tiere erweitert.
Motive mit Gänsen, Vögel, Elefanten, Pferden, Tiger, Biene, Eule, Schildkröte sowie dem Bär und Walross Antje berühren sicher nicht nur die Herzen der Kinder.
Die unverwechselbaren Zeichnungen des Künstlers mit Akt-Darstellungen und Motiven der Corrida runden ein außergewöhnliches kreatives Gesamtkunstwerk.
Josef P.Ressmann

Thema: Buch 2 aus 2005, EDITIONEN, Kunstbücher | Comments Off | Autor: Linnartz